Acht Monate sind seit meiner Rückkehr in die Schweiz bereits wieder vergangen, gefühlt eher schon fast ein ganzes als erst ein halbes Jahr. Wenn ich auf die vergangene Zeit zurückblicke, stelle ich fest, dass meine Reintegration ziemlich genau dem berühmten sogenannte Reverse Culture Shock, dem umgekehrten Kulturschock entsprach. Der Begriff hatte immer mal wieder meine Gedanken gestreift, ohne dass ich ihm richtig Beachtung geschenkt hätte. Irgendwie nahm ich an, dass ich davon nichts merken würde. Ich war ja oft hier in der Schweiz, habe ja immer mit einem Bein hier gestanden. Ausserdem hatte ich keinen wirklichen Kulturschock als ich in Hong Kong ankam, ergo würde es umgekehrt nicht anders sein. Und nun muss ich rückblickend zugeben, dass ich die Heimkehr tatsächlich ein wenig unterschätzt hatte.
Ich freute mich darauf, nach Hause zu kommen, wieder unbegrenzt Zeit mit der Familie und Freunden verbringen zu können, wieder an Familienfesten teilzunehmen, Geburtstage mitzufeiern, und vor allem wieder den Alltag mit meinem Mann zu teilen. Als ich im Dezember in Hong Kong alles erledigt hatte, war ich bereit für den Aufbruch. Auf diese Freude über die Rückkehr folgte dann aber ziemlich bald der Fall Kopf über ins Januarloch. Ich vermisste das Essen in Hong Kong, die Freunde, die Arbeitskollegen, das Klima, die Hochhäuser, die Gerüche, die pulsierende Stadt, die vertikalen Horizonte, meine Wohnung, die Aussicht, den Sport, die Hitze, die Regengüsse, die freundlichen Portiers, das effiziente Servierpersonal – schlicht und einfach mein ganzes Leben dort. Die linke Gehirnhälfte betete täglich alle rationalen Gründe herunter, warum ich nichts zu beklagen hätte, für alle meine Möglichkeiten dankbar und für das Erlebte glücklich zu sein hätte. Derweilen stampfte die rechte Gehirnhälfte trotzig mit dem Fuss, jammerte und lieferte auf jedes rationale Argument ein Aber, getreu dem Motto „In Hong Kong ist alles besser“.
Aber da ich ja nur ins Januarloch und nicht ins Bodenlose fiel, blieb mir mit fortschreitender Zeit eigentlich nur eins: wieder heraus zu klettern. Also machte ich mich an den Aufstieg in die Reintegration in meiner Heimat. Dafür gibt es keine Wundermittelchen. Wie bei vielen Veränderungen im Leben sind es die Faktoren Zeit, Geduld und Nachsichtigkeit mit sich selbst, die zum Erfolg führen.
Zeit – zum Reflektieren, Revue passieren lassen, für Gespräche, für Freunde – für all die Dinge, auf die ich im Ausland verzichtet hatte.
Geduld – weil es nicht möglich ist, nach 3 Jahren im Ausland einfach so mir nichts dir nichts von heute auf morgen wieder in den Schweizer Alltag überzugehen. Und weil die Seele etwas länger braucht als das Flugzeug, um 10’000km Distanz zu überwinden.
Nachsichtigkeit – weil sich ein Mensch dadurch als Mensch auszeichnet, weil er seine Gefühle nicht mit rationalen Gründen zum Schweigen bringen kann.
So habe ich meinen Platz hier irgendwie wieder gefunden. In der Theorie nennt sich die letzte Phase des Reverse Culture Shocks „Adaptation“, also Anpassung. Ich sehe es eher als Versöhnung der beiden Hirnhälften; als hätten die rationalen Kriterien mit den Gefühlen bei einem Handshake Frieden geschlossen.