Gelbe Regenschirme

Ich bin sicher, viele von euch haben in den letzten Wochen und Tagen oefter an Hong Kong gedacht als normalerweise – ihr fragt euch, wie die Proteste vor Ort wahrgenommen werden. Ich kann euch nicht viel berichten, was nicht schon in den Zeitungen zu lesen war. Die ausländischen Medien werden auch von den Hong Kongern als vertrauenswürdiger betrachtet als die eigene Berichterstattung. Und dies, obwohl in HK ofiziell Pressefreiheit herrscht. Aber eben nur offiziell.

Ich hatte während der ersten Protestwoche Ferien und war im Ausland. Ich fühlte mich ein wenig feige; ich bin nicht da, wenn in meinem aktuellen zu Hause für Demokratie gekämpft wird. Nichts desto trotz verfolgte ich aus der Ferne die Geschehnisse. Meine Mitarbeitenden hielten mich auf dem Laufenden.

Das Empfinden der Beiden könnten nicht gegensätzlicher sein. Meine Mitarbeiterin möchte am liebsten sofort emigrieren, weil sie trotz der Proteste absolut keine Chance sieht, dass etwas erreicht werden kann. Sie hat sämtlichen Hoffnung in die Politik Hong Kongs und Chinas verloren. Sie sieht, wie die Gesetze in China tagtaeglich missachtet werden ohne, dass dies Konequenzen hat. Sie glaubt nicht, dass Beijing auch nur im geringsten von seinem Kurs abweichen wird.

Mein Mitarbeiter hingegen nimmt jeden Abend an den Protesten teil. Und kommt pflichtbewusst, wie die Studenten an den Sit-Ins in den Self-Study-Corners ihre Hausaufgaben machen, jeden morgen pünktlich zur Arbeit. Er war nach den ersten Tränengasangriffen zwar pessimistisch. Als danach jedoch noch mehr Menschen an den Protesten teilnahmen, hat er wieder Mut gefasst. Er ist stolz darauf, dass seine Generation der Welt beweisen kann, dass sie sich nicht nur für Konsum und Vergnügen interessiert. Er schrieb mir nach der ersten Protestwoche in einer WhatsApp Mitteilung:  „[…] I know it is very disappointing but I will not and cannot lose my faith. This is my home and my root.“

An einem der Abende hatte er zwei Studenten aus Mainland China getroffen. Sie haben die zensurierte Berichteratattung in China gesehen und wussten wohl, dass dies nicht die ganze Wahrheit sein konnte. Also sind sie kurzerhand nach Hong Kong gereist, um sich vor Ort ein Bild zu machen. Trotz Zensur, blockierten Websites (China hat auch Fotodienste wie Instagram gesperrt, weil darauf Textnarichten über das Geschehen als Fotos verbreitet wurden) und Einschraenkungen lassen sich Blokaden mit Kreativitaet durchbrechen. Nach wie vor versorgt mein Mitarbeiter die Studenten aus China mit Informationen. Auf die Frage hin, ob er nicht, ob er nicht Angst habe, dass es sich um bezahlte Studenten handeln koennte, hat nur mit den Schultern gezuckt und gesagt, er merke es ja dann, wenn er das naechste Mal nach China reisen wolle.

Ich habe sehr viel Respekt vor den Menschen, die seit Wochen fuer die Demokratie und ihre Stadt kaempfen. Die Chance, tatsaechlich etwas bewegen zu koennen ist realistisch gesehen sehr klein. Und trotzdem setzen sie sich unermuedlich mit riesigem Effort ein. Und zwar auf eine organisierte, gewaltfreie, respektvolle und intelligente Art und Weise. Mir wird bewusst, dass der Ablauf der Proteste den Charakter der Menschen hier sehr gut wiederspiegelt; anstaendig, hoeflich, respektvoll, ordentlich und aeusserst engagiert: Vor einer Woche hat eine Gruppe kletterbegeisterteter junger Leute ein 6 x 28 Meter grosses und 10 kg schweres Banner am Lions Rock, dem „Hausfelsen“ ueber dem Stadtteil Kowloon befestigt: (Behind the scences: http://www.youtube.com/watch?v=iEQ2rj-7DDE. Die gelbe Flagge war von ueberall her sichtbar! Der Lions Rock steht gleichzeitig fuer den „Lions Spirit“ der Stadt, was dem schwarzen Schriftzug „I want true universal suffarage“ auf gelbem Grund erst recht Gewicht verlieh!

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 Quelle: http://mashable.com/2014/10/28/hong-kong-protests-one-month/

Lesenswerte Meinungen:

Ich bin zurueck…

Fast zwei Monate habe ich meinen Blog vernachlaessigt… Eine verspaetete Sommerpause… Es ist viel passiert und jetzt ja, ist der Sommer vorbei (der Soundtrack dazu: Zueri West – dr Summer isch verbi). Die letzten Wochen waeren gepraegt von Reisen, geschaeftlich und privat, nach Indien, in die Schweiz, nach Bali und China. Reisen ist eigentlich das falsche Wort, wenn man es im Sinne von Thomas Mann versteht, als einzig taugliches gegen die Beschleuningung der Zeit, dann war ich in den letzten Wochen eher in einer Zeitmaschine unterwegs. Zurueck in Hong Kong wurde mir mit einem Schlag bewusst, dass ich nun bereits ein knappes Jahr hier lebe! Fuer den Jahresrueckblick ist es aber noch zu frueh. Darum vorerst einige Impressionen von der Reise in der Zeitmaschine… (auf Fotos klicken, um mehr Bilder zu sehen)

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